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Als Siri noch klein war…

26. Oktober 2016: Wirtschaftswoche:

„Am Mittwoch informiert das Unternehmen (Amazon) Tausende Menschen in Deutschland, ob sie als Testnutzer für sein neuestes Produktexperiment ausgewählt wurden. Vordergründig geht es dabei um Echo, eine Lautsprecherbox, etwa so groß wie eine Chipsdose. Man könnte sie leicht mit einem gewöhnlichen Lautsprecher verwechseln. Aber am 26. Oktober zieht das Geschäft mit der künstlichen Intelligenz endgültig in die deutschen Wohnzimmer ein.

Denn das Gerät, für das sich hier viele vorab schon angemeldet haben, ist gekoppelt an die Computerintelligenz Alexa. Sie ruht auf den firmeneigenen Amazon-Servern. Von Echo aufgeweckt, ist sie in der Lage, Sprachbefehle auf Deutsch zu verstehen und auszuführen und mit dem Nutzer zu kommunizieren. Alexa wird ein Taxi bestellen können und das Wetter auf Mallorca voraussagen. Wer will, kann sich von ihr vorwarnen lassen, ob es auf dem Weg zur Arbeit Stau gibt, und alternative Routenvorschläge einholen. Vor allem aber wird Alexa die Bedürfnisse seiner neuen Besitzer nach und nach kennenlernen und sich immer besser an diese anpassen lernen.

(http://www.wiwo.de/technologie/digitale-welt/amazon-echo-jetzt-bringt-amazon-die-kuenstliche-intelligenz-ins-wohnzimmer/14712556.html)

Software-Agenten übernehmen bis 2021 sechs Prozent der heutigen Arbeitsplätze.

…sagt Forrester Research (http://www.computerwoche.de/a/15-technologie-trends-bis-2021,3260723). Das ist in nur fünf Jahren, aber ich gucke heute 15 Jahre zurück:

Von 1998 bis 2003 war ich als Unternehmensberater in unterschiedlichsten Kundenprojekten. Es ging oft um Restrukturierung und Erschließung neuer Geschäftsfelder. Im Grunde also wie heute, aber „Start-ups“ und „disruptive Geschäftsmodelle“ waren noch nicht Teil des täglichen Medien-Bullshit-Bingos. „Medien“ waren auch nicht „social“. In einer Marktchancenbewertung für einen großen Kunden definierte mein Beraterteam 2001 „IT-Services“ als relevantes Investitions- und Entwicklungsfeld. Aus heutiger Sicht keine schlechte Prognose, auf Basis der Zahlen war es aber auch kein prophetisches Meisterwerk. Trotzdem finde ich es erstaunlich, zu sehen, wie sich die Hardware-Giganten der Jahrtausendwende tatsächlich zu reinen Service-Anbietern wandelten. Aktuell geht gerade Fujitsu-Siemens durch diese Transformation. Parallel dazu haben Virtualisierung und die Cloud das IT-Business und die Funktion von CIOs völlig neu definiert und dann ist da natürlich die (bald endende) Smartphone-Ära, aber über diese Dinge will ich hier gar nicht sprechen, sondern über ein IT-Thema, das mich schon davor am meisten fasziniert hat. Eines auf das ich damals wie heute jede Wette eingehe: Persönliche Software Agenten!

Software-Agenten? – Das war vor 15 Jahren ein zwar schon existierendes, aber noch sehr unspektakuläres Thema. Google war noch kein Weltkonzern, es gab kaum ein Smartphone, schon gar nicht mit Touchscreen und „Apps“ waren kein Alltagsbegriff. Der populärste Personal-Agent war möglicherweise der Windows Hilfe-Agent, der gerne als Büroklammer an den Bildschirm tippte oder als putziges Kätzchen am Rand des Screens schnurrte.

Aufgrund meiner Keynote-Speaker-Termine zu E-Commerce-Themen wurde ich 2001 vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (https://www.iao.fraunhofer.de) und Galileo-Press (heute Rheinwerk-Verlag: https://www.rheinwerk-verlag.de) gebeten, einen Buchbeitrag über Software-Agenten zu schreiben.

Das alte Buch ist mir bei der Recherche zu einem Blogartikel über künstliche Intelligenz wieder in die Hände gefallen und ich teile den Text hier im Folgenden noch einmal. Er ist eher wissenschaftlich geschrieben, enthält aber ein paar relativ zeitgemäße Szenarios der Services, die persönliche digitale Agenten oder Bots wie Alexa demnächst für uns übernehmen werden – natürlich sprachgesteuert – und das sensible Thema der Verhandelbarkeit unserer Privatsphäre. In meiner damaligen Naivität glaubte ich allerdings noch, wir würden unsere persönlichen Profilinformationen bewusst im Gegenzug für personalisierte Informationsbereitstellung herausgeben. Dass wir alles Private von uns gratis in Seiten wie Facebook & Google kippen und reines Klickvieh auf YouTube werden, und dass den Werbetreibenden nur dank Programmatic-Advertising wenigstens ein Teil des investierten Geldes durch unsere zweifelhafte Aufmerksamkeit zurückgezahlt würde, habe ich nicht vorhergesehen.

Der folgende Text ist 15 Jahre alt und war eine vergleichsweise kurze Kapiteleinführung in „Business Communities, Professionelles Beziehungsmanagement von Kunden, Mitarbeitern und B2B Partnern im Internet.“ (Bullinger, Baumann, Fröschle,Mack, Turner, Waltert), Bonn, 2001.

Auf Amazon (https://www.amazon.de/Business-Communities-B2B-Geschäftsgemeinschaften-im-Internet/dp/389842121X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1476810363&sr=8-1&keywords=business+communities+bullinger) schrieb kürzlich ein Rezensent: „Interessant was vor über 10 Jahren geschrieben worden ist und jetzt erst langsam in der Praxis umgesetzt wird. Hilfreich, um sich einige wichtige Grundlagen für digitalisierte Geschäftsprozesse auf Plattformen vor Augen zu führen.“. Ich glaube, das ist ein zutreffendes Urteil. Sogar Rolf Dobelli (http://www.dobelli.com) bewertet es positiv, merkt aber leider auch kritisch an: „Einziger Wehmutstropfen (sic) ist der Stil: Endlose Schachtelsätze und schwammige Formulierungen trüben die Lektüre erheblich.“. Oje! Auch wenn Dobelli den Wehmutstropfen nicht vom Wermutstropfen unterscheiden mag, und ich auch nur einen wirklich kleinen Part in dem Buch habe, fühle ich mich mit seiner Kritik der langen Sätze etwas entlarvt, aber es ist nun wie es ist. Trotzdem viel Spaß bei der kleinen Zeitreise an den Anfang dieses Jahrtausends:

(ACHTUNG: Der folgende Artikel von mir ist wie gesagt aus dem Jahr 2001 und ich gebe ihn hier im Original und unredigiert wider!)

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»Du musst es mir befehlen, Boss!« (Agent Beezle Bug in Tad Williams´“Otherland“)

»One persons intelligent agent is another persons smart object; and today’s smart object is tomorrows dumb program« (Jeffrey M. Bradshaw)

Bereits 1968 spielte ein Software-Agent die Hauptrolle in einem Film. „HAL9000“, der Bordcomputer der „Discovery“ in Stanley Kubricks „2001“ demonstrierte einprägsam die Fähigkeiten eines unabhängig agierenden, intelligenten elektronischen Systems. Dreißig Jahre später lernen wir in Agent Smith aus Andy & Larry Wachowskis Film „Matrix“ einen modernen Vertreter der Gattung Software-Agent kennen. Zur gleichen Zeit sind sich die meisten Menschen nicht bewusst, dass unendlich primitivere und deutlich freundlicher scheinende Vertreter dieser Gattung schon jahrelang tagtäglich ihren Dienst im WWW verrichten.Sie sind so etwas wie der nahezu prähistorische Vorläufer dieser elektronischen Leinwandhelden. Gemäß ihrer Bezeichnung „Agent“ handeln sie im Auftrag von jemandem oder etwas, und aufgrund ihrer logischen Struktur – sie sind Software – können sie der ihnen zugedachten Aufgabe vollkommen individuell angepasst werden.

In Tad Williams Netzroman „Otherland“ zeichnet der Autor ein faszinierendes Bild von der Wirklichkeit der virtuellen Welt des Netzes am Ende des 21. Jahrhunderts (Williams 1998). Er stellt den Agenten „Beezle Bug“ vor, der gezwungen werden soll, Daten seines Auftraggebers, des dreizehnjährigen Orlando, der in einer Online-Simulation gefangen ist, preiszugeben. Nur der entsprechende Befehl Orlandos an Beezle Bug, sich zu verstecken und die Dateien zu sichern, kann die Preisgabe verhindern. Und so befiehlt quasi der Agent seinem Auftraggeber, diesen Befehl zu geben. Der Agent veranschaulicht durch seine an sich paradoxe Tat deutlich die Eigenschaften, die ein solches System charakterisieren:

  • Ein Agent hat einen Auftraggeber. Dies kann sowohl eine Person, als auch ein übergeordnetes System wie z.B. eine Community sein, von dem der Agent seine Anweisungen erhält.
  • Ein Agent ist intelligent. Er handelt den Informationen und Regeln entsprechend, die er durch ein der künstlichen Intelligenz (KI) ähnliches „Denken“ interpretiert.
  • Ein Agent verfügt über ein gewisses Maß an Autonomie. Er ist im Rahmen seiner Aufgaben ohne direktes Eingreifen seines Auftraggebers handlungsfähig.
  • Ein Agent benötigt Schnittstellen. Um Befehle zu empfangen und Informationen an den Auftraggeber zurück zu spielen, verfügen Software-Agenten über Ein- und Ausgabeschnittstellen, die ihre Kommunikationsfähigkeit sicherstellen.
  • Ein Agent braucht Rezeptoren. Zur Erledigung seiner Aufgaben muss der Agent in der Lage sein, seine Umgebung und die dort auftragsrelevanten Parameter ausreichend wahrzunehmen.

Die Palette lässt sich je nach zugrunde liegender Theorie noch deutlich erweitern um Eigenschaften wie „soziales Verhalten“, „Zuverlässigkeit“, „Persönlichkeit“ u.a.

Agenten sind Software. Wenngleich der prosaische Agent Beezle Bug auch einen physischen Roboterkörper in Form eines Käfers hat, so entfaltet er seine Fähigkeiten und seinen Nutzen für seinen Auftraggeber vor allem an bzw. in seinem Haupteinsatzort, dem elektronischen Medium.

Neben den unterschiedlichen Tätigkeiten, die zur Definition eines Agententyps dienen können, sind Software-Agenten auch nach ihrem Einsatzort definierbar. Primär werden hier stationäre und mobile Agenten voneinander unterschieden. Ein typisches Beispiel für einen stationären Agenten wäre z.B. ein Support-Agent, wie wir ihn aus den gängigen Office-Anwendungen kennen, der uns erklärt, wie z.B. eine Tabelle angelegt oder ein Absatzformat geändert wird. Selbst diese bisher fast ausschließlich lokal agierenden Agenten werden heute mobil und suchen auf Wunsch nach weiteren Hilfsinformationen im Internet, natürlich auf vom Hersteller vorkonfigurierten Websites, die wiederum die entsprechenden Call Center entlasten. Die enorme Bedeutung der Vernetzung komplexer Rechnersysteme, z.B. durch das Internet und die zunehmende Abbildung von Geschäftsprozessen im elektronischen Medium (E-Business) legen es nahe, sich auf das Thema der Internet-basierten Agenten zu konzentrieren.

Meist erledigen Software-Agenten im Internet als Suchmaschinen-Roboter für uns umfangreiche Such- und Filterfunktionen (was inhaltlich oft das gleiche Ergebnis bedeutet). Diese Agenten suchen z.B. im Auftrag einer Person nach einem Produkt oder dem günstigsten Preis für ein Produkt. Neben den bereits angesprochenen Support-Agenten gibt es auch solche, die uns an Termine erinnern oder diese mit den Kalendern unserer Partner koordinieren, oder aber solche, die in einem Dialog mit Personen oder anderen Systemen Informationen sammeln, um z.B. Kundenprofile anzulegen. Wenn also einer der Yahoo!-Robots Internetseiten nach unseren Suchbegriffen scannt und seine „Treffer“ an den Suchmaschinenserver zurück sendet, von wo wir unser Suchergebnis erhalten, so ist dieser Agent heute für uns nur ein selbstverständliches, komplexes kleines Skript, dessen Funktionalität für uns alltäglich ist. Daneben können weitere Agententypen wie „Educational-„ oder „Industrial Agents“ usw. bestimmt werden, die jeweils in bestimmten Anwendungsbereichen und -Umgebungen ihre Aufgaben erledigen.

Wie funktioniert ein Software-Agent?

Der Nutzen, den ein Software-Agent seinem Auftraggeber bringt, hängt direkt mit seiner Programmierung zusammen. Das Maß an Autonomie, an Rezeptionsfähigkeit und die Anzahl der Schnittstellen stehen in Relation zu seiner Intelligenz und der seiner Programmierung zugrunde liegenden Architektur, die z.B. beschreibt, ob es sich um ein mobiles oder stationäres Programm handelt. An dieser Stelle stellt sich immer die spannende Frage, ob es der Programmierer ist, dessen Intelligenz das System benutzt oder ist hier Intelligenz geschaffen worden. Als Intelligenz einer solchen Software verstehen wir im Wesentlichen ihr Wissen und ihre „Denkfähigkeit“. Gemeint sind die statischen Informationen, über die der Agent von Anfang an verfügt, also alle Daten und Regeln, mit denen das Systems gefüttert ist. Dazu zählen IF-THEN-Beziehungen ebenso wie vielleicht Produkt- oder Kalenderinformationen. Darüber hinaus ist auch die Fähigkeit gemeint, diesen Informationen durch Interaktion mit der Umgebung weitere Daten hinzuzufügen und aus der so gesammelten dynamischen Wissensbasis Schlussfolgerungen ziehen zu können, zu „lernen“. Software-Agenten können also ihr Wissen durch Lernen vergrößern. Die vergrößerte Wissensbasis verbessert die Interpretationsfähigkeit der Software. Dieser verbesserte Denkprozess führt zu effizienterer Interaktionsfähigkeit des Agenten und in der Folge zu besseren Ergebnissen im Sinne des Auftraggebers. Die Bandbreite dieser Systeme reicht vom einfachen IF-THEN-Regelwerk bis hin zu neuronalen Strukturen, von hoher Komplexität in Bezug auf die Entscheidungsfähigkeit zwischen zwei oder mehr Alternativen.

Einsatz von Software-Agenten im E-Business

Software-Agenten beeinflussen die Geschwindigkeit und Effizienz von Marktprozessen und stellen mittelfristig eines der wichtigsten Instrumente zur Reduzierung von Prozess- und Transaktionskosten dar. Die Marktprozesse selbst verändern sie nicht.

Die Interaktion der Surfer mit der besuchten Site, idealerweise mit anderen Personen innerhalb der Site, gehört zu den kritischen Erfolgsfaktoren des Community-Buildings im Web. Der vom Betreiber erwünschte Effekt ist Kundenbindung.

Sie wird erreicht durch die meist persönlichen oder oder zumindest personalisierten (auf Einzelpersonen ausgerichteten) oder personifizierten (vermenschlichten) Inhalte für die einzelnen Community-Mitglieder, typischerweise in persönlichen Mail-Accounts oder Chats abgebildet oder über inhaltliche Foren, in denen ein Meinungsaustausch stattfindet.

Sobald die kritische Masse erreicht ist, die Community also über genügend Mitglieder verfügt, so dass ein kontinuierlicher Dialog rund um die Uhr gewährleistet ist, setzt sich dieser Prozess fast von selbst fort. Dieses Phänomen wird als „Prosuming“ bezeichnet. Die Konsumenten der Inhalte erstellen in der Interaktion mit anderen Usern wiederum selbst neue Inhalte. Die Vorgänge von Konsumieren und Produzieren von Inhalt sind demnach ineinander verschränkt. Der Community-Betreiber profitiert nun zum einen davon, dass er die teuerste Ware im Web, aktuellen Inhalt, von seinen eigenen Kunden quasi kostenlos erhält, zum anderen davon, dass der auf diese Weise selbst erstellte Content die Nutzer besonders zufrieden stellt (offenbar funktioniert hier ein psychologisches Phänomen, nach dem Menschen die Dinge, die sie selber tun, tendenziell eher gut gefallen). Communities bilden aufgrund der so erzielten enormen Kundenbindung, der hohen Besuchsfrequenz sowie der langen Verweildauer der Nutzer in ihnen ein ideales Umfeld für E-Business sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich. Die Community-Features werden hier primär genutzt, um Daten zu sammeln, die helfen, Kaufvorgänge einzuleiten, zu erleichtern oder zu überwachen. Hierbei können Software-Agenten eine maßgebliche Rolle spielen, indem sie z.B. selbst Funktionen innerhalb des Kaufprozesses wahrnehmen.

Anhand eines von Clement und Runte getroffenen Einteilungsmodells lassen sich vier lnteraktionssituationen zwischen Anbietern und Nachfragern identifizieren (vgl. Clement/Runte 2000: 23, siehe Abbildung 1.9).

Im Folgenden sollen diese vier Interaktionssituationen kurz beleuchtet werden. Die Betrachtungen wurden jeweils auf der Basis verschiedener, naturgemäß vereinfachter Kaufverhaltensmodelle angestellt, die in drei wesentlichen, selbsterklärenden Stufen übereinstimmen (siehe Abbildung 1.10)

(ABBILDUNG)

Anbieter Mensch – Nachfrager Mensch

Die Produktsuche im lnternet, die Entscheidung für einen bestimmten Anbieter aufgrund relevanter Produkteigenschaften (wie z.B. »Preis« oder »Farbe«) und die eigentliche Transaktionsphase unterscheiden sich im Internet nur geringfügig von den analogen Phasen beim Offline-Kauf. Der Käufer beginnt mit der Produktsuche — meist mit Hilfe von Suchmaschinen — in einer scheinbar unüberschaubaren Menge von Angeboten. Die Ergebnisse führen oft zu einer nur geringfügig kleineren Anzahl von Anbietern, die den Käufer aufgrund der meist pro Anbieter unterschiedlichen Angebotsaufbereitung vor eine komplexe Auswahl stellt. Schließlich wird eine Anbieterentscheidung getroffen und der Transaktionsvorgang meist in einem elektronischen Shopsystem abgeschlossen. Allein die Masse von Angeboten macht eine optimale Auswahl gemäß den individuellen Bedürfnissen des Käufers fast unmöglich. Die primären Unterschiede des Online-Einkaufs gegenüber dem nicht-elektronischen Katalog liegen also bei dieser Betrachtungsweise in der erheblich größeren Anbieterauswahl und den multimedialen interaktiven Präsentationsmöglichkeiten des Mediums. Eine gesteigerte Effizienz der Zusammenführung von Anbieter und Nachfrager kann allerdings kaum festgestellt werden.

Anbieter Mensch – Nachfrager-Agent

Die wohl bekannteste Form des Nachfrager-Agenten ist der Preisagent, der — ähnlich der Tätigkeit von Preisagenturen — die Aufgabe hat, den für ein definiertes Produkt günstigsten Preis herauszufinden. Der Käufer profitiert hierbei davon, dass der Preisagent für seine Recherche nur wenige Sekunden benötigt und so gut wie keine Kosten verursacht. Sowohl im B2B-, als auch im B2C-Bereich schaffen diese Agenten eine globale Preistransparenz die besonders Anbieter von objektiv beschreibbaren Standardprodukten zu extrem kompetitiver Preisgestaltung zwingt. Auf erfolgreichen vertikalen (branchenbezogenen) B2B-Marktplätzen, erlauben die Such— und Filterfunktionen von Softwareagenten den einkaufenden Unternehmen neben der Prozesskostenoptimierung, die der elektronische Marktplatz in erster Linie bedeutet, eine Effizienzsteigerung bei der Suche nach Produkten mit spezifischen Merkmalen im integrierten Anbieterkatalog des Marktplatzes. Nachfrager-Agenten werden sich in Zukunft besonders im Hinblick auf die Menge und Qualität der Eigenschaften verbessern, die sie für ihren Auftraggeber ermitteln. So ist z.B. allein der Preis als Differenzierungsmerkmal oft nicht ausreichend, um das optimale Angebot zu ermitteln, besonders wenn Angebotsfaktoren wie Garantie, Verfügbarkeit Lieferzeit, Verfolgbarkeit (Tracking) etc., die indirekt enorm preisrelevant wirken, nicht ebenfalls adäquat geprüft werden können.

Anbieter-Agent – Nachfrager Mensch

Anbieter-Agenten werden meist eingesetzt, um eine Individualisierung des Inhalts bezogen auf den einzelnen Surfer zu erreichen. So greift man in Onlineshops wie Amazon zu Collaborative-Filtering-Methoden, um den Interessenten zu den von ihnen (bereits mit Hilfe von Suchagenten) ausgewählten Produkten, komplementäre Angebote zu machen. Wählt der Surfer beispielsweise einen bestimmten Film auf DVD aus, so macht das System ihm aufgrund der Kaufentscheidungen vorheriger Kunden, die den gleichen Film und darüber hinaus andere Produkte gekauft haben, Vorschläge, welche Filme oder andere Artikel auch für ihn interessant sein könnten. Je mehr das System über Präferenzen der Kunden »lernt«, desto besser werden die Produktvorschläge, die es uns macht. Auf diese Weise sind weltweite Online-Shopsysteme mit der entsprechenden globalen Logistik in der Lage, exotische Zielgruppen wie z.B. den sandalentragenden Cabriofahrer, der einmal pro Woche in die Oper geht, individuell zu bedienen, während jedes stationäre Geschäft mit einer solchen Zielgruppe ein hoffnungsloses wäre, weil die 22.800 Personen, die global auf die Beschreibung passen, natürlich nicht alle am selben Ort leben. Diese Software-Systeme suchen also nach persönlichen Daten oder Eigenschaften, um den Surfer kennen zu lernen und ein Kundenprofil anzulegen. Der Einsatz solcher Daten oder ganzer Profile kann je nach Interesse des Netzdienstes, der ihn beauftragt, verschiedene Ausprägungen haben. Nutzerspezifische Werbebanner zur Minimierung von Streuverlusten oder individuelle Vorkonfiguration modularer Produkte wie Autos, Computer oder Urlaubsreisen sind auf diese Weise automatisierbar und so mit hoher Effizienz an identifizierte Kunden vermarktbar. Dieser Effekt lässt sich offline mit »Tante Emma« vergleichen, die mich als Kunden kennt und schon nach dem richtigen Produkt hinter der Ladentheke greift, wenn ich ihr Geschäft betrete. In reinen B2B-Umgebungen wie Procurement-Marktplätzen können Anbieteragenten den Kunden sowohl bei der Navigation im Katalog, als auch bei der Individualisierung von Inhalten und Darstellungsformen helfen, z.B. wenn einem Einkäufer die Verfügbarkeit immer besonders wichtig ist und dieser Wert deshalb an erster Stelle gelistet wird. Die so gesammelten Profildaten helfen den Anbietern gleichzeitig, ihre Produkte bzw. die Zusammensetzung ihres Portfolios zu optimieren (z.B. wenn ein Artikel häufig gesucht wird, jedoch nicht im Angebot vorhanden ist, woraufhin die so erkannte Angebotslücke geschlossen werden kann).

Anbieter-Agent – Nachfrager-Agent

Die Fähigkeit von Software-Agenten z.B. Transaktionen auftragsgemäß durchzuführen macht sie grundsätzlich zu idealen Stellvertretern der Auftraggeber in Marktprozessen im elektronischen Medium. Ihre Geschwindigkeit, Duplizierbarkeit und zeitlich unbegrenzte Verfügbarkeit erlaubt es ihnen, gerade in verhandlungsintensiven Transaktionsvorgängen wie z.B. Auktionen oder Ausschreibungen höchste Effizienz sowohl für Anbieter als auch für Nachfrager zu erreichen. Zwingende Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz der Systeme sind hier die Intelligenz der Software und eine geeignete Multi-Agenten-Umgebung (Garantie von Verbindung, Rechtssicherheit, Protokollierung etc.). Der Kostendruck auf den bestehenden, nicht-virtuellen Marktplätzen und den entstehenden elektronischen Marktplätzen wie Covisint, Chemplorer etc. macht den Einsatz von immer intelligenteren Software-Agenten innerhalb dieser Umgebungen zu einem evolutionären Schritt, dessen exakter Zeitpunkt zwar hier nicht benannt werden kann, der jedoch in näherer Zukunft liegen wird, als wir erwarten. Herausforderungen an die Programmierung der entsprechenden Systeme sind vor allem die notwendigen Abbildungen von Verhandlungsstrategien und Kommunikationsfähigkeiten zur Information und Beeinflussung anderer Systeme, die die Software beherrschen muss. So wird es bei Ausschreibungen (»Reverse Auctions«) auf elektronischen Plattformen entscheidend sein, die dort verfügbaren Informationen richtig zu interpretieren, den anderen dort agierenden Agenten nur die Informationen preiszugeben, die zum Geschäftsabschluss im Sinne des Auftraggebers führen, und andererseits auch nicht zu viele Informationen zurückzuhalten, denn nur mittels der relevanten Nachfragerpräferenzen kann ein Anbieteragent optimale Angebote lokalisieren oder selbst machen (s.o.). Deutlich wird diese Gratwanderung am Beispiel der Preisinformation. Sollte bei einer Ausschreibung für eine Leistung, z.B. dem Aufbau eines lokalen Netzes inklusive PCs etc. für 500 Mitarbeiter, der entsprechende Nachfrager-Agent unserem Anbieter-Agenten den Preis mitteilen, den das nachfragende Unternehmen bereit ist zu zahlen, so wird unser Agent kein niedrigeres Gebot abgeben als eben diesen Preis – es sei denn, andere intelligente Anbieter-Agenten tun dies und unser System erhält diese Information. Deutlich werden an diesem Beispiel auch die lmplikationen, die die Agentenfähigkeiten in Bezug auf die Kommunikation mit anderen Agenten haben. So wäre denkbar, dass unser System gezielt Fehlinformationen an Wettbewerber ausgibt, um diese zu täuschen, oder im Gegenzug könnten andere Agenten die mangelnde Vertrauenswürdigkeit unseres Systems weiter kommunizieren und unseren Agenten so ggf. isolieren.

Auffallend an all diesen Interaktionsformen und Ausprägungen gegenwärtiger und zukünftiger technischer Möglichkeiten ist in erster Linie die Detailtreue. mit der Kommunikation, Geschäftsprozesse, Transaktionen etc. der nicht virtuellen Welt in Business Communities innerhalb des Internets übertragen werden. Mit Hilfe immer fortgeschrittenerer Technologien reproduzieren wir das uns bekannte Universum im elektronischen Medium mit immer größerer Perfektion und subtrahieren »lediglich« die uns offline auferlegten Beschränkungen durch Zeit und Raum.

Ist es Mord, wenn man einem Agenten »den Stecker rauszieht«?3

Are you what you read? What you wear? What you listen to?

Do you deine yourself by the company you keep? Your friends?

Your family? Or are you simply your fingerprints and DNA?

(Aus Defining Digital Identity)4

Das wirtschaftliche Paradigma der Effizienz ist nichts als die Übersetzung des menschlichen Bedürfnisses nach Bequemlichkeit, indem wir anhand eines zeitorientierten Systems menschliche Tätigkeit, also Arbeit, teuer gemacht haben. Die Verlockung mittels intelligenter Systeme wie Software-Agenten auch die Aufgaben, die speziell erworbene Ausbildung oder Kenntnisse voraussetzen, zu automatisieren und quasi kostenlos von Maschinen erledigen zu lassen, birgt neben den zahllosen Nutzenfaktoren und Chancen auch Risikopotenziale.

In einer zukünftigen Welt, in der auf elektronischen Marktplätzen im B2B-Bereich Transaktionen in Milliardenhöhe automatisiert verhandelt, durchgeführt und überwacht werden, in der denkbar auch juristische Entscheidungen von intelligenter Software getroffen werden könnten, erklimmt man eine weitere Stufe der menschlichen Abhängigkeit von Technologie mit möglicherweise existenziellen Auswirkungen. Der Ausfall entsprechender Systeme bedeutet heute schon meist finanzielle Verluste in enormer Höhe durch Produktionsverzögerungen, Lieferschwierigkeiten, Vertragsverletzungen usw. Ausfälle von IT-Infrastruktur legen ganze Betriebe lahm, und die Mehrzahl der heute in Konzernen beschäftigten Mitarbeiter können nach eigener Aussage ohne Computer bzw. Netzzugang ihre Aufgaben nicht effizient bzw. überhaupt nicht wahrnehmen.

Wirtschaftliche Effizienz ist eine Notwendigkeit in der global arbeitsteilig spezialisierten Wirtschaft. Ineffizienz wird mit hohen Kosten und ggf. Ausscheiden aus dem Marktgeschehen sanktioniert. Intelligente Software-Agenten als Mittel zur Effizienzsteigerung werden daher in den durch die sogenannte »New Economy« oder »E-Economy«·stark informations- und kommunikationsbasierten Kernprozessen eine immer wichtigere Rolle spielen. Getaktet im Tempo der immer schnelleren Technologiezyklen, die sich in den stetig wandelnden Strukturen der TIMES-Branchen (Telecommunication, Information Technology, Media, Entertainment und Security) manifestieren, ist offensichtlich, dass die wachsende Masse von Information ohne entsprechende Systeme nicht verarbeitet werden kann.

Kritiker würden an dieser Stelle sicher auch fragen, ob die-Masse an Information nicht vielleicht eine Masse an Desinformation ist (Information Overload) und ob sie ohne diese Systeme überhaupt existierte („The cure is the disease is the symptom is the cure is“). Die Grenzen von Krankheit, Symptom und Heilung gehen also – wenn man so will – fließend ineinander über. Da die Information an sich aber unaufhaltsam und, was noch schwerer wiegt, unumkehrbar ist, ist es pragmatischer sich nüchtern Gedanken über die zahllosen Möglichkeiten des sinnvollen Einsatzes intelligenter Systeme zu machen, als sich in Pessimismus zu verlieren.

Nemesis – Chancen und Risiken des Einsatzes intelligenter Systeme

Heute arbeiten Entwickler in Agenturen an Agentensystemen die einmal jeder von uns als persönliche Agenten nutzen kann. Zum Beispiel haben Banken durch das elektronische Geschäft im Netz ein erfolgreiches Outsourcing von Dienstleistungen an ihre Kunden betrieben. Wir freuen uns und sind sogar bereit, dafür zu bezahlen, dass wir nun die Arbeit der Kreditinstitute selbst erledigen und unsere Aufträge direkt online in deren Systeme eingeben, dafür allerdings räumlich und zeitlich unabhängig von Schalterstunden und Personal. Die Adressen, Artikelnummern etc. können wir ebenfalls bequem im Netz ermitteln.

Aber ist das wirklich ein Nutzen? Dies ist nur ein erster Schritt. Das Szenario des persönlichen Agenten sähe in Zukunft so aus, dass wir ihm während des Frühstücks oder während wir morgens durch unsere Wohnung laufen seine Aufgaben diktieren: »Überweisung an die Autowerkstatt, Telefonnummer eines Experten in der Business Community herausfinden und Vorschläge für einen zweiwöchigen Sommerurlaub machen.« Aufgrund seines Wissensspeichers mit unserem persönlichen Profil »weiß« der Agent, welche Urlaubsziele wir bevorzugen und wie viel wir ausgeben wollen, aus unseren elektronischen Terminkalendern entnimmt er mögliche Urlaubsdaten, die Kontoinformationen der Autowerkstatt findet er selbständig im Netz und für die Recherche nach der Telefonnummer beauftragt er andere Systeme.

In Zweifelsfällen oder wenn er ein Feedback zur Auftragserledigung benötigt, so fragt er bei uns nach. Unsere Antwort wandert als gelernte Erfahrung in seinen Wissensspeicher und vervollständigt unser Profil. Vernetzt mit unserem Haushaltsnetzwerk, dem lnternet und anderen für uns relevanten Systemen kann der Software-Agent auf diese Weise komplexe Aufgaben übernehmen und einen deutlichen Mehrwert gegenüber den semi-automatischen Systemen, die wir heute nutzen, bieten.

Da einmal offenbarte Information unrevidierbar ist und sich aus der richtigen Kombination von Informationen zu einem definierten Zeitpunkt folgerichtige Entscheidungen und damit z.B. Markterfolge ableiten lassen, ist der Einsatz von intelligenten Software-Agenten und die damit verbundene auf ggf. überlegener Informationsqualität basierende Ausgangsposition ein Machtfaktor. Am Beispiel der Software-Agenten, die dabei helfen, den anonymen Surfer besser kennen zu lernen und sein Surfverhalten sowie seine Konsumgewohnheiten besser einschätzen zu können, wird deutlich, dass unsere Privatsphäre und der Schutz unserer persönlichen Daten in Bezug auf die optimale Befriedigung unserer Konsumbedürfnisse ein verhandelbares Gut geworden ist.

(ABBILDUNG)

Abbildung 1.11 Von Agenten erstellte Kundenprofile basieren auf der Verhandlung von Datenschutz gegenüber dem Wunsch nach individualisierten Angeboten.

Den Surfer oder Kunden kennen zu lernen, heißt, ihn identifizieren zu können. Derzeit beginnt diese Verhandelbarkeit von Privatsphäre in aller Regel noch meist beim Log-In in bestimmte Domains mit Benutzernamen und Passwort. Die Zukunft mobiler Datenübertragung und steigender Konvergenz von Diensten und Netzen macht jedoch auch hier die Übergänge fließend. Übergänge in andere Systeme werden zum Teil unbemerkt vonstatten gehen, und Agenten werden im Zuge ihrer Auftragserledigung massenhaft Informationen miteinander austauschen, so dass eine wirksame Kontrolle schwierig erscheint. Zudem werden mobile Geräte mit eventuell biometrischen Zugangskennungen überzeugende Identifikations- und Lokalisierungsinstrumente für Netzanbieter und -dienste sein. Den skizzierten Chancen stehen konkrete Probleme gegenüber, die im Zuge dieses Wegs in Agenten-Communities gelöst werden müssen:

  • Datenschutz/Privatsphäre
    Gerade mobile Systeme werfen die Schwierigkeit auf, die Privatsphäre zu schützen. Andere Systeme könnten versuchen, die Profilinformationen unserer Agenten vollständig auszulesen oder auch über längere Zeiträume hinweg die im Zuge von Verhandlungen preisgegebenen persönlichen Daten nutzerbezogen zu sammeln und zu einer Profilkopie zu konsolidieren.
  • Haftung
    Gemäß seiner Bestimmung handelt der Agent autonom in unserem Namen. Missverständnisse könnten dazu führen, dass ein entsprechend autorisierter Agent, statt nur Preisinformationen zu beschaffen, Transaktionen einleitet, also im Consumer-Bereich die Urlaubsreise oder das Auto bzw. im B2B-Bereich die 20 Tonnen Nickel oder Kaffee tatsächlich kauft. Bei voller Autorisierung des Systems können diese Verträge rechtskräftig sein. Wer haftet in einem solchen Fall? Ist es der Benutzer der Software, der ungenaue Angaben gemacht hat, oder der Hersteller. der ggf fehlerhaft programmiert hat?
  • Abrechnung
    Die Bereitstellung von Umgebungen in denen Agenten miteinander Kontakt aufnehmen können, in denen eine Verbindung zu ihrem Auftraggeber gewährleistet ist und in denen die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen vorhanden sind (Protokollierung, Abhörschutz etc.) ist aufwändig, und ihre Benutzung wird wahrscheinlich tarifiert erfolgen. Welche Geschäftsmodelle können für den Ressourcenverbrauch der Software-Agenten sinnvoll sein?
  • Klassifizierung/Seriosität
    Unterschiedliche Qualität der Programmierung kann erhebliche Leistungsunterschiede der individuellen Agenten bedeuten. Wie wird gewährleistet, dass intelligentere Agenten »ehrlich« und »fair« auftreten und verhandeln und nicht gezielt schlechter ausgestattete Systeme identifizieren und übervorteilen?

Diese Schwierigkeiten sind pragmatisch zu sehen. Entsprechende gesetzliche Regelungen liegen zum Teil bereits vor, sie lösen jedoch die Grundproblematik nicht, sondern bedeuten nur ein Clearing in Form von Sanktionsinstrumenten, wenn es im Grunde bereits zu spät ist.

Communication-Junkies und kauzige Software

Die Faszination, die lnternet-Agenten ausüben können, beruht meist auf dem gewollten Anschein, das System entfalte eine eigene Persönlichkeit. Zu diesem Zweck erhält der Software-Agent oft eine Gestalt, einen virtuellen Körper, wie z.B. das Logo des Website-Betreibers oder eine andere Identifikationsfigur. Wir sprechen in diesem Fall von einem Avatar.

Das Wort ist ein hinduistischer Begriff und steht für die »Herabkunft« eines Gottes auf Erden. Wenig göttlich treten die meisten Avatare in Form von Chatter- oder Lingubots auf, Agenten, die einen Dialog mit den Surfern in Form eines Chats führen. Im Hintergrund der Software arbeitet ein Autorensystem, in dem die gängigsten Phrasen und Antworten hinterlegt sind. Je mehr Dialoge das System führt· desto ausgefeilter werden die Gesprächsfähigkeiten der Software. Mit fortschreitender Verbesserung von Spracherkennungs- und -Synthesesystemen ist eine gesprochene Unterhaltung zwischen Nutzer und System denkbar.

Die Systeme dienen mehreren Zwecken: Zum einen erhöht ein Avatar, der mit den Surfern in Interaktion tritt, durch die Vermittlung von Persönlichkeit in der ansonsten anonym erscheinenden Online-Welt die Attraktivität einer Site; die Besucherzahl, die Verweildauer der Surfer und die Besuchsfrequenz auf den entsprechenden Seiten steigt meist deutlich an. Zum anderen sammelt der Agent im Dialog mit den Surfern wertvolle Informationen über das Surf-, Konsum- und Kommunikationsverhalten der Zielgruppe.

Da die Systeme nicht immer die passenden Antworten kennen, haben viele eine automatische Auffangerkennung und schalten sofort einen Menschen ein, der die Steuerung des Gespräches übernimmt, sobald die Software nicht mehr adäquat reagieren kann. Ein Turing-Test zur Feststellung· ob es sich um einen Menschen oder ein automatisches System handelt, kann also in diesen Fällen schwierig sein. Der Erfolg dieser Avatare beruht meist auf menschlich wirkenden Charakterzügen wie Humor und Schlagfertigkeit. Wahrscheinlich ist, dass wir unseren persönlichen Agenten ebenfalls eine bestimmte Gestalt verleihen werden, die sich jederzeit beliebig ändern lässt. Der Avatar in Verbindung mit dem persönlichen Software-Agenten wird quasi unsere»Herabkunft« in den Cyberspace sein. Steuern wir das System nicht gerade persönlich, so wird es in unserem. Sinne interagieren und Kommunikationen führen, über die es uns später informiert oder auch Anfragen auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, wenn wir persönlich zur Verfügung stehen. Zyniker würden vielleicht vom multimedialen Anrufbeantworter des 21. Jahrhunderts sprechen.

Hans Moravec spricht im Zusammenhang mit intelligenten Systemen von der »Evolution des postbiologischen Lebens« (Moravec 1988) und weckt damit Assoziationen in Richtung eines maschinellen Bewusstseins oder Geistes. Jean Baudrillard kommentiert diesen Weg der Transformation alltäglicher Vorgänge in elektronische Cyber-Welten mit den Worten:

Seit sich das Verhalten auf bestimmte Bildschirme oder auf Operationen ausführende Terminals konzentriert, erscheint das Übrige nur noch als ein großer nutzloser Körper, den man verlassen und verdammt hat. (Rötzer 1989)

Tatsächlich wird mit der Aufhebung von Raum und Zeit im elektronischen Medium ein Star-Trek-Traum wahr: Wir »beamen«. Allerdings erweitert die einfache Reproduzierbarkeit von Software – kopieren von System zu System – diese faszinierende Perspektive bzw. macht sie fast überflüssig: Warum sollte ich mich irgendwohin beamen wenn ich omnipräsent sein kann – also schon da bin?

Sven Krüger: „Intelligente Software Agenten“

erschienen in: Bullinger, Baumann, Fröschle, Mack, Turner, Waltert: „Business Communities, Professionelles Beziehungsmanagement von Kunden, Mitarbeitern und B2B Partnern im Internet.“, Galileo Press, Bonn, 2001, S.