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Customer Journey – Reise ohne Wiederkehr?

Willkommen im Hype.

Tatsächlich verdrehen sich meine Augen fast automatisch, wenn ich „Customer Journey“ nur höre. Ist der Begriff nicht schon uralt und nervt nur noch? Mir scheint, vor allem in den letzten zwei Jahren gibt es kaum eine Diskussion über Marketing, die nicht irgendwann bei der Customer Journey als entscheidende Orientierung für die Steuerung des Marketing Mix landet.

Ich stolpere immer über das Wort, weil es suggeriert, der Kunde würde dauernd mit latentem Interesse um das Produkt, den Service oder das Kommunikationsangebot eines Unternehmens kreisen und man könne ihn wie eine neugierige Katze mit ein paar simplen Reizen locken und dann eine kleine Tour durch verschiedene Maßnahmen mit ihm starten, an deren Ende sein Appentenzverhalten so unvermeidlich gerichtet sei, dass der Kauf zustande komme. In der noch ambitionierteren Variante mit CRM-Konzept wird sogar versucht, eine Beziehung zum Kunden aufzubauen.

Bringt das was?

Zugegeben: Das klappt vergleichsweise öfter, als viele andere Ansätze. Und sogar noch weiter steigern ließe sich der Erfolg aus meiner Sicht, wenn man zu jeder Maßnahme oder Station der Reise das Etappenziel klarer definierte und anlegte. Das lautet meist nicht, Response-Element einsammeln, Datensatz anreichern oder Collateral herunterladen, sondern viel schlichter: „ausselektieren“: Die Reise des Kunden ist ein Filterprozess, ein Sieben, an dessen Ende der Kauf und damit erst der echte „Kunde“ steht. Alles andere sind Interessenten, die für Potenziale in der Marktforschung taugen, ansonsten jedoch wenig zum Überleben oder Erfolg der Unternehmung beitragen.

Ob es sich lohnt, auf diesem Weg in eine Beziehung zu investieren, hängt vom Produkt ab. Bei Hotels bringt das mehr als bei Dachziegeln. Entscheidend ist, nicht aus den Augen zu verlieren, dass Menschen, außer zu ihrem Arbeitgeber, kaum je Interesse am Aufbau einer Beziehung zu einem Unternehmen haben. Sie nutzen Marken zur Orientierung und decken ihren persönlichen Bedarf.

Jetzt wird´s spannend!

Auf der reinen Ziele-Ebene ist es in den meisten Märkten also eher so, dass das Unternehmen auf der Reise herum um den Kunden ist, auf der Suche nach möglichst vielen, relevanten Kontaktpunkten, die es dann aus Anbieterperspektive in eine Customer Journey münzt. Der Kunde steht gleichzeitig weniger still denn je. Menschen sind mobil und können mit ihren Smartphones heute fast alle Customer Journey Stationen immer und überall passieren. Das macht es einerseits leichter, weil Anbieter vieles digital bereitstellen können und damit Marktzutrittsbarrieren gesunken sind. Andererseits ist die Komplexität massiv gestiegen, denn die Anzahl von Kanälen und Kontexten ist derart explodiert, dass die notwendigen Kompetenzen, sie zu managen, in keinem Marketing vollständig abgebildet sind oder effizient zusammenarbeiten. Im Ergebnis werden also aktuell vor allem massenhaft Daten gesammelt, die dann in der Mehrzahl nicht effizient analysiert werden, so dass es zu selten zu individualisiert kontext-relevantem Follow-up kommt.

Fazit: Lieber gleich sein lassen?

Wie so oft gilt: Giving up is not an option! Man kommt an der Journey nicht vorbei, egal, ob der Begriff gefällt, oder nicht. Die Analyse der möglichen Touchpoints ist elementar und das weiß auch jeder. Anstatt jedoch zuviel Energie in eine perfekt gestaltete Journey zu stecken oder sogar in den Versuch einer mittel- bis langfristigen Beziehung, sehe ich größere Erfolgschancen in der jeweils optimiert konstruierten Ausgestaltung der Kundenerfahrung an den einzelnen Kontaktpunkten. Im Klartext: Alles, was ich dem Interessenten auf dem Weg zum Kauf biete, muss so einfach, schnell und verbindlich wie möglich passieren. Solche „Erfolgserlebnisse“ zahlen sich auch emotional aus, weil sie für den Kunden kleine Glücksmomente sind, care-free, im Idealfall sogar einen nützlichen Service bieten z.B. Wetter bei Kartenabfragen oder Echtzeit-Verkehrsinfo bei Events.

Wenn dann noch alle internen Unternehmens-Silos ihre Touchpoint-Optimierungen miteinander teilen und aufeinander abstimmen, bekommt der Kunde vielleicht sogar Lust, wieder zu kommen.